Impressionen der Ausstellung KOEXISTENZ

Einführung in die Ausstellung KOEXISTENZ

 

Christiane Settele und Lena Schabus am Freitag, 13.04.2018 um 19 Uhr in der Stadel-Galerie des Künstlerhauses Andreas-Stadel der Kunst- und Kulturstiftung Oswald Zitzelsberger

Hier nebenan im Atelier 18 des wunderschönen Andreas-Stadels wirken seit Januar 2017 in „friedlicher“ Koexistenz die beiden Künstlerinnen Lena Schabus und Christiane Settele. Beide haben Bildende Kunst und Ästhetische Erziehung an der Universität Regensburg studiert und sind nun Förderkünstlerinnen der verdienten Oswald Zitzelsberger-Stiftung. Der heute mehr denn je existenziell wichtige Begriff der Koexistenz wird meist im politischen Sinn gebraucht – doch wortwörtlich genommen meint er ganz sachlich das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Dinge. Mit dieser Definition nähert man sich schon ein wenig dem Wesen der Kunst, mit der wir es heute Abend zu tun haben und der ich mich skizzenhaft nähern möchte.

Lassen Sie mich aber noch vorbemerken, dass das kulturelle Jahresthema unserer Stadt für 2018, nämlich „Stadt – Land – Fluss“ keine Einengung thematischer Art für Bildende KünstlerInnen sein sollte, dass vielmehr jeder seiner Persönlichkeit und seiner Kreativität entsprechend sich wiedergeben und gestalten sollte. Letzteres ist sowohl bei der 1990 bei Passau geborenen Lena Schabus wie auch bei der 1988 in Gräfelfing bei München geborenen Christiane Settele der Fall.

Wer den etwa 480 Jahre alten Andreas-Stadel betritt – ein so bekannter Schriftsteller wie Hans Josef Ortheil (geb. 1951 in Köln – „Die Erfindung des Lebens“) würde ihn „Belebungsinsel“ nennen – und wer die Treppe zum 1. Obergeschoß nimmt, würde auf der südlichen Stirnseite des Gebäudes ein großformatiges Gemälde („And now?“, 2016) von Christiane Settele erblicken, das gleichsam als ein künstlerischer Introitus für ihre hier versammelten Bilder erscheint. An einem zweiten Ausstellungsort in Regensburg, dem Degginger in der Wahlenstraße, präsentiert Christiane Settele gerade die anderen zwei Arbeiten aus dem mehrteiligen Zyklus „No feelings- I doubt it – and now?“ von 2016.

Von 2017 ist ihr Gemälde mit dem Titel „Dreikampf“ (Öl auf Leinwand). Rötlich-violette Farbtöne herrschen vor, fast „fleischfarben“-artig und dementsprechend furchteinflößend wirkt das dramatische Bildgeschehen. Körperlichkeiten werden angedeutet und verstärken das Verhältnis von Illusion und deren Auflösung im Bild. Auch räumliches neben flächigem wird von der Malerin verwoben. In beklemmender Weise artikuliert sie Naturnähe, Ängste, Illusionen, vielleicht auch Widersprüchlichkeiten unserer Welt. Metamorphosen lassen das Werden und Vergehen näher rücken, aber der bildnerische Kosmos entzieht sich der Eindeutigkeit. Der Malprozess verläuft vom Schwebend-Unbestimmtem in fester Gefügtem und zurück. Es entsteht ein Farbraum von Botschaften deren Bedeutungen – wie schon erwähnt – im Verschlüsselten liegen. Fast scheint sich ein Satz des Schriftstellers und Philosophen Albert Camus zu bewahrheiten, dass nämlich das Geheimnis des Lebens eins ist mit dem Geheimnis der Kunst. (Zit. aus dem Vortrag „der Künstler und seine Zeit“, gehalten am 14.12.1957 an der Universität Uppsala).

Farblich wesentlich verhaltener, fast pastoser, präsentieren sich Christiane Setteles beiden Werke aus diesem Jahr mit dem Titel „Gegen den Willen“ (Öl und Lack auf Leinwand). Die Malerin macht es dem Betrachter nicht leicht, sich in ihre Bildwelt einzusehen, in ihre Situationen, Emotionen und Vorstellungen. Alles Figurative erscheint bruchstückhaft, bisweilen auch sperrig und verhalten. Dank der auch anzutreffenden Weißausmischungen tauchen gebrochene Lichtwerte auf. Assoziativ lässt sich hier und da an die große österreichische Malerin Maria Lassnig (1919 – 2014) denken, deren Werke Christiane Settele vor Jahren in Wien kennengelernt und zutiefst beeindruckt hatten. Die „Koexistenz“ verschiedenster Bildmittel kennzeichnet die Bildwelt der Künstlerin und lassen viel Potential für die Zukunft erahnen.

Die 1990 bei Passau geborene Künstlerin Lena Schabus ist mittlerweile keine unbekannte Größe mehr im Regensburger Kulturbetrieb. Auch ihre Werke kann man an zwei Orten in unserer Stadt sehen: im Rahmen der Ausstellung „Raumimpulse“ kann man noch bis Sonntag (15.04.2018) eine 9- teilige Arbeit mit dem Titel „Brutalismus“ im Kunst- und Gewerbeverein sehen. Mit Öl und Acryl arbeitet Sie auf mit Leinwand bespannter Malpappe und die Grundlage für höchst interessante Architekturdetails, die der Betonarchitektur entnommen sind.

In der Ausstellung Koexistenz führt sie in den jeweiligen Bildcomposings höchst eigenwillige Fotomotive zusammen, scheinbare Landschaftsbilder, die erst bei genauerer Betrachtung allerlei Störungen beinhalten. Nicht reale Orte und Geschehnisse führen zu Täuschungen: „Koexistenzen“ formaler und inhaltlicher Art verunsichern die Wahrnehmung. Lena Schabus bespielt einen aufregenden Grat zwischen Abbildung von Wirklichkeit und konstruierter Fiktion.

„Störung I“ von 2018 zeigt eine Kompanie von Soldaten, die streng ausgerichtet auf den Feldern bis zum Hintergrund „Stellung“ beziehen. „Störung II“, auch in Draufsicht fotografiert, führt eine weite, sich ausdehnende Landschaft vor Augen. Lena Schabus vermittelt einen Aus-Blick, verwandt mit dem Albrecht Altdorfers, der die berühmte Alexanderschlacht von 1529 gemalt hatte. Nicht frei von Täuschungen ist auch die 3. Störung, gleichwohl sie einer normalen Landschaftsansicht näher zu kommen scheint.

Natur und Mensch stehen sich in der mehrmals publizierten Arbeit „Surroundings“ von 2017 (Digitaldruck auf Alu-Dibond) gegenüber. Einer ungewöhnlichen, „zerstörerischen“ rötlich gehaltenen Farbgebung formuliert Lena Schabus einen weit sich öffnenden Wolkenhimmel, der sich farblich auf den Gewässern der Donaulandschaft widerspiegelt. Keine menschliche Gestalt ist zu entdecken, doch erweckt das Bild „den Eindruck, dass sich etwas menschengemacht künstliches sich hier einmischt.“ (Zitat Pressemitteilung). Zu den Wolken sind adernartige Strukturen ablesbar, die auf die Komplexität zerstörerischer menschlicher Kräfte verweisen.

„Raffinerie“ von 2018 zeigt eine faszinierende, aber auch beängstigende Komposition verschiedener Industriegebiete, die vermutlich die Umwelt, mal die Umgebung mit Mensch und Natur in Mitleidenschaft ziehen. Dieses abschreckende Bildcomposing lässt mich an die sog. Düsseldorfer „Becher-Schule“ an der dortigen Akademie denken (Hilla und Bernd Becher in den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts) und hier vor allem an den damaligen Schüler Andreas Gursky. Er war es, der 1993 ein Schlüsselwerk der digitalen Fotografie schuf, ein 4 m breites Bild mit dem Titel „Paris, Montparnasse“. Aus mehreren Aufnahmen setzte er ein gewaltiges Gebäude zusammen und ließ dadurch verschiedene Blickwinkel für den Betrachter entstehen.

Auf das Raffinerie-Bild von Lena Schabus ist durch einen ähnlichen Verfahrensprozess entstanden und verdeutlicht damit die Beklemmung, die man vor ihren Werken erfährt. Letztlich präsentiert sie kommentarlos nur Vorhandenes. Aber unabhängig von einem kritischen Kommentar vermittelt diese Trostlosigkeit einen klaren und eindeutigen Standpunkt. Ihre Thematik verweist auf die dringendst notwendige Koexistenz von Mensch, Technik und Natur!

Dr. phil. Herbert Schneidler

 

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